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Faszientraining beim Pferd – Kann man Faszien trainieren und wenn ja wie? 

Gastbeitrag mit 3 Übungen zum Nachmachen von Larissa Lehmann

Faszien – oder auch das Bindegewebe – erlangen sowohl im humanmedizinischen Bereich als auch in der Tiermedizin eine immer bedeutendere Rolle. Doch woher kommt das? Lange Zeit wurden Faszien eher stiefmütterlich behandelt. Die modernen Wissenschaften hingegen haben sich ihnen angenommen und festgestellt, dass sie eine ganz wichtige Rolle im Körper spielen. Sie übertragen nicht nur die Muskelkraft auf Gelenke und Knochen, sie stabilisieren den gesamten Körper und leiten Signale weiter. 

Somit ist es auch klar, dass Blockaden, die entlang der sogenannten myofaszialen Linien auftreten, welche den ganzen Körper durchziehen, an ganz anderer Stelle zu Problemen führen können. Faszien können verkleben und verhärten, was die Beweglichkeit und das Wohlbefinden des Pferdes beeinträchtigen kann. Ein Pferd, das Probleme mit den Sehnen der Hinterbeine hat, kann dies z.B. äußern, indem es im Genick fest ist und sich nicht stellen und biegen lässt.

Beeindruckend oder?

Da das Gebiet noch recht neu ist und erst so langsam in der Pferdewelt Gehör findet, möchte ich dir und deinem Pferd 3 Übungen mitgeben, die zur allgemeinen Gesunderhaltung beitragen und ganz einfach nachzumachen sind.

Doch zuerst schauen wir uns einen kleinen Exkurs in die Theorie an.

Was sind Faszien überhaupt?

Das Fasziengewebe besteht hauptsächlich aus Kollagenen, aber auch kollagenreiche Strukturen wie Sehnen und Bänder oder Gelenkkapseln zählen dazu. Faszien umspannen Muskulatur, Knochen, Organe und Nervenfasern und können dabei wie ein eigenes, großes Organ gesehen werden. Sie bilden ein umfassendes Netzwerk, das dem Körper Form und Struktur verleiht. Zudem spielen sie eine wichtige Rolle bei der Beweglichkeit und der Kraftübertragung. 

In der Anatomie unterscheidet man 4 Faszientypen:

  • Oberflächliche Faszie: äußerste Schicht unter der Haut, sehr elastische Fasern
  • Tiefe Faszie (Rumpffaszie): Umhüllung von Muskeln, Sehnen, Bändern
  • Meningeale Faszie: Umhüllen von Nervenfasern 
  • Viszerale Faszie: Umhüllung der Körperhöhlen mit ihren Organen (z.B. Brustkorb, Bauchraum)

Das bewirkt regelmäßiges Faszientraining beim Pferd

Regelmäßiges Lösen der Faszien des Pferdes hilft dabei, den Bewegungsapparat geschmeidig zu halten. Lockere Faszien tragen dazu bei, dass das Pferd den Reiter gesund und schmerzfrei tragen kann.

Im Verletzungsfall kann regelmäßiges Lockern der Faszien die Regeneration unterstützen. Egal ob dein Pferd in dieser Phase mit Physiotherapie, Osteopathie oder Chiropraktik behandelt wird, ist es als Pferdebesitzer sinnvoll, die Therapeuten in der behandlungsfreien Zeit bei der Arbeit zu unterstützen und die Faszien während der Regenerationszeit zu lösen. 

Außerdem kann Faszientraining dabei helfen, Schmerzen, die auf Verspannungen und Bewegungseinschränkungen zurückzuführen sind, zu lindern. Durch das Lösen faszialer Verklebungen mittels rollender und schiebender Bewegungen kann die Bewegungsqualität des Pferdes verbessert werden.

Und das beste kommt zum Schluss: Da wir hier nicht manipulativ eingreifen, kannst auch du viele der Übungen selbst regelmäßig und vorbeugend mit deinem Pferd machen. Probiere es doch einfach direkt einmal mit den 3 Übungen aus, die ich für dich zusammengestellt habe.

Wichtig: Beachte unbedingt diese Voraussetzungen bevor du mit der Faszientherapie startest!

Besonders wichtig ist mir, das du beim Durchführen der Übungen immer auf dein Bauchgefühl hörst und vor allem auf die Reaktion deines Pferdes achtest. Ist es ihm zu viel, wird es versuchen, sich zu entziehen. Manchmal können die Reaktionen auch sehr heftig ausfallen. Achte daher immer auch auf deine eigene Sicherheit!

Zeigt dein Pferd eine Reaktion, lässt das darauf schließen, dass an dieser Stelle ein Problem vorliegt. Taste dich langsam heran, lege zunächst nur die Hand auf und streiche sanft über die Stelle. Fühle, ob du verhärtete Strukturen findest und versuche diese sanft mit kreisenden, streichenden und vibrierenden Bewegungen zu lösen.

Wenn kein Problem an der Stelle vorliegt, kann es aber durchaus sein, dass dein Pferd die Berührung und Massage sehr genießt. Gönne ihm ein paar Minuten an der Stelle und beobachte, wie es dabei entspannt.

Achtung!

Hier solltest du die Übungen nicht anwenden:

  • bei akuten Entzündungen
  • bei Verletzungen 
  • auf Tumoren und Sarkoiden
  • auf Blutergüssen und Schwellungen
  • bei Fieber
  • bei tragenden Stuten im Bauch- und Beckenbereich

3 Übungen zum Nachmachen

So, genug von der Theorie, gehen wir in die Praxis! Bitte wende diese Übungen nur bei deinen eigenen Pferden an oder bei Pferden, die du sehr gut kennst. Wenn du dabei feststellst, dass die Übungen deinem Pferd gut tun, lohnt es sich, auch einmal eine Faszienbehandlung für dein Pferd machen zu lassen. Die Therapeuten geben dir hier wertvolle Tipps und weitere Übungen an die Hand, um die betroffenen Strukturen bestmöglich unterstützen zu können.

Übung 1: Das Genick des Pferdes lösen

Das Genick ist häufig verspannt, denn hier treffen sich die großen myofaszialen Linien. Bestehen irgendwo entlang dieser Linie Probleme, findest du meist auch eine Blockade im Genick.

Und so einfach kannst du das Genick lösen:

Lege deine Hand seitlich am Genick an. Streiche nun mit den Fingern den ersten Halswirbel entlang nach unten. Du kannst auch kreisende Bewegungen verwenden, wenn dien Pferd das angenehm findet. Gehe danach mit den Fingern in die Kuhle hinter dem Ohr und arbeite dich in kreisenden Bewegungen von unten nach oben. Danach streichst du den zweiten Halswirbel genau wie den ersten nach unten hin aus oder machst auch hier wieder kreisende Bewegungen. Wechsle dann die Seite.

Übung 2: Den Bizeps des Pferdes lösen

Der Bizeps ist häufig in Mitleidenschaft gezogen, wenn der Rumpftrageapparat nicht einwandfrei funktioniert, z.B. bei einer Trageerschöpfung. Bitte beachte, dass du nach dem Lösen des Bizeps stabilisierende Übungen wie Seitengänge machen solltest, um die gelösten Strukturen direkt zu stabilisieren.

So löst du den Bizeps:

Streiche vom Buggelenk abwärts bis du einen einzelnen Muskelstrang ertastest, der zwischen zwei Finger passt. Er liegt genau neben der Brustmuskulatur, etwas weiter außerhalb in Richtung der Vorderbeine. Hast du den Muskelstrang zwischen zwei Fingern, vibriere auf und ab und arbeite dich langsam nach unten vor. Streiche dann mit dem Handballen den Muskel in Richtung der Brust aus und wechsle die Seite.

Übung 3: Die Kruppe des Pferdes lösen

Ist die Kruppenmuskulatur verspannt, kann das Pferd die Last nicht richtig auf die Hinterhand aufnehmen. Es mangelt an Schub und Schwung in der Bewegung.

So sorgst du für eine lockere Kruppe:

Setze mit deinen Handballen oberhalb der Flanke an und bewege dich in kreisenden Bewegungen, immer oberhalb des Hüfthöckers, bis ca. zur Mitte der Hinterhand. Dort wo du feste Muskelstränge spürst, solltest du etwas länger und intensiver verweilen. Die Kruppe ist locker, wenn du die Muskulatur von unten nach oben in Wellen vor deinen Fingerspitzen her schieben kannst.

So festigst du das neue Bewegungsbild nachhaltig:

Mit einem Mal ist natürlich nichts getan. Baue die Übungen regelmäßig in dein wöchentliches Training mit ein und achte darauf, dass du dein Pferd abwechslungsreich und gesunderhaltend trainierst. Du wirst sehr schnell Veränderungen im täglichen Umgang und beim Reiten feststellen. Dein Pferd wird ausgeglichener, losgelassener und entspannter sein. Vielleicht eröffnen sich euch sogar ganz neue Bewegungsmöglichkeiten.

Faszien nur zu lösen aber mit dem Training immer so weiter zu machen wie bisher, bringt natürlich nichts. Das ist in etwa so als würdest du einmal zur Physiotherapie gehen weil dir der Rücken weh tut, aber du sitzt trotzdem noch den Großteil des Tages und machst keinen Sport. Achte daher darauf, die Lösungsphase ordentlich zu nutzen, um die guten Bewegungsmuster zu festigen und die Muskulatur zu lockern. So kannst du auch schon in der Lösungsarbeit verklebte Faszien lösen und die Durchblutung anregen. Nutze dann gern eine der oben beschriebenen Übungen, um dein Pferd optimal vorzubereiten und beginne dann mit der Gymnastizierung. Zum Ende einer Trainingseinheit nutze ich persönlich gern einen Massagestriegel, um nochmal alles schön zu lockern. Meine Pferde genießen es regelrecht, nach dem Absatteln nochmal ordentlich massiert zu werden.

Jetzt bist du dran! Berichte mir gern, wie dein Pferd auf die Übungen reagiert hat und was sich seitdem in deinem Training getan hat.

Über die Autorin

Larissa Lehmann ist Pferdetrainerin aus Leidenschaft. Mit ihren beiden eigenen Pferden probiert sie ständig Neues aus und legt viel Wert auf eine vertrauensvolle Beziehung. In ihrem Blog ponyundpferd.de schreibt sie zu Themen wie gesunderhaltendes Pferdetraining, artgerechter Haltung und Fütterung, Krankheiten und deren Behandlung und gibt dem Pferdemenschen jede Menge nützlicher Tipps für den Alltag mit. Durch die Ausbildung zur Pferdeosteopathin und Faszientherapeutin fließt ein umfangreicher Wissensschatz aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen mit ein.

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