Was verrät mir das Exterieur über mein Pferd?
Jedes Pferd hat seine individuelle Geschichte. Im Leben des Pferdes gibt es erfolgreiche Zeiten und Zeiten in denen es Verletzungen oder Krankheiten erleidet. Das Verhalten und der Körper des Pferdes werden durch diese Geschichte geprägt.
Anhand der äußeren Erscheinung, des Exterieurs, kann man einige Rückschlüsse ziehen. Wie ist der Trainings- und Fütterungszustand des Pferdes? Passt das Equipment oder hat der Sattel Spuren auf dem Rücken des Pferdes hinterlassen? Scheuert die Ausrüstung irgendwo oder scheint alles zu passen? Mit wenigen Blicken lässt sich erkennen wie das Pferd trainiert wird. Ist es gut bemuskelt oder vielleicht nur einseitig trainiert? Die Rückenform sagt viel über die Art des Trainings aus. Anhand der Muskeln an den Vorderbeinen kann man erkennen ob der Reiter an der Geraderichtung des Pferdes arbeitet oder nicht. Auch über die Psyche des Pferdes lassen sich erste Rückschlüsse ziehen indem man den Hals betrachtet.
Natürlich gibt das Exterieur auch Hinweise darauf für was sich das Pferd eignet. Ein Shetland-Pony ist ganz anders gebaut als ein Araber oder ein Warmblut. Anhand der Betrachtung des Exterieurs kann man ein individuelles Training für das Pferd erarbeiten, denn viele Merkmale des Exterieurs sind veränderbar. Aus einem Kaltblut wird natürlich auch durch gutes Training kein Distanzpferd werden, gewisse Körpermerkmale sind genetisch veranlagt und nicht veränderbar. Doch das soll ja auch nicht das Ziel sein. Das Ziel soll es sein jedes Pferd innerhalb seiner Möglichkeiten zu trainieren und zu fördern und dadurch gesund zu erhalten.
Veränderbar ist zum Beispiel die Rückenform des Pferdes. Viele Pferde sind mit dem Brustkorb abgesunken, durch gezieltes Training können sie vorne wieder etwas wachsen und der Rücken verändert sich zu einer positiven Form. Auch die Stellung der Gelenke muss nicht steil oder schief bleiben. Die Muskeln, die an den Gelenken ziehen und diese in Form halten lassen sich gezielt trainieren und dadurch lassen sich auch Fehlstellungen durch das richtige Training korrigieren.
Die wenigsten Pferde sind körperlich ,,perfekt‘‘. Es gibt fast immer irgendwo eine körperliche Schwachstelle (z.B. Fehlstellungen der Beine, Überbaut sein, etc.). Auf Krankheiten und Schwachstellen im Exterieur sollte im Training immer Rücksicht genommen werden und das Pferd sollte wenn möglich in den ,,schwächeren Strukturen‘‘ durch das Training gestärkt werden. Das Pferd ist nur so gut, wie das schwächste Glied in seiner Kette und wird immer Kompensation zeigen, wenn die schwächsten Stellen nicht ausgeglichen werden.
Die gute Nachricht ist: sehr viele Exterieur-Probleme sind veränderbar und mit dem richtigen Training kannst du deinem Pferd helfen, langfristig gesund zu bleiben!
Im folgenden Artikel möchte ich dir häufig auftretende Exterieur-Probleme vorstellen. Wenn es dir schwer fällt, das Exterieur deines Pferdes zu beurteilen würde ich dir außerdem raten eine/n TrainerIn des Vertrauen hinzuzuziehen und dein Pferd zu beurteilen und gemeinsam das Exterieur zu betrachten.
Ich empfehle dir außerdem regelmäßig Exterieur-Fotos zu machen, um den körperlichen Zustand des Pferdes zu beurteilen und Verbesserungen aber auch Verschlechterungen rechtzeitig bemerken zu können. Wenn man sein Pferd jeden Tag sieht, fallen kleinere Veränderungen oft nicht sofort auf, mithilfe der Fotos kannst du Veränderungen eindeutig bestimmen.
Auch kleine Video-Aufnahmen von deinem Training können zur Dokumentation genutzt werden. Es ist immer hilfreich, sich selbst ab und zu ,,von außen‘‘ zu betrachten und so das eigene Auge und das zugehörige Gefühl zu schulen…
Stark ausgeprägtes Nackendreieck:
Das deutet daraufhin, dass das Pferd zu viel in der Beizäumung fixiert wurde bzw. stark gegen den Zügel geht oder unter starkem Stress steht. Die kurzen Nackenstrecker sind Faszienspanner der Hirnhäute und wenn sie verspannt sind kann das zu Konzentrationsstörungen, Müdigkeit oder auch Kopfschlagen führen.
Was kann man dagegen tun?
Zäumung und Hilfengebung überprüfen. Das Pferd sollte sich viel locker und losgelassen in Dehnungshaltung bewegen und lernen, das Genick locker zu lassen.
Ausgeprägter Unterhals:
Ein Unterhals kann je nach Rasse auch genetisch bedingt sein. Hier ist es sinnvoll vergleichende Fotos anzuschauen. Wird der Unterhals über die Zeit weniger? Super, weiter so! Wenn nicht: Überprüfe die Haltung deines Pferdes im Training und vor allem das Tempo, in dem du reitest. Solche Pferde werden oft über Tempo trainiert und verfallen dann sozusagen in den ,,Fluchtmodus‘‘. Sie drücken die Halswirbelsäule durch, nehmen den Kopf hoch und drücken den Rücken weg.
Was kann man dagegen tun?
Hier ist es wichtig, vermehrt an der Losgelassenheit zu arbeiten. Aber auch Schmerzen im Rücken oder Magenprobleme können die Ursache für einen starken Unterhals sein, das solltest du ausschließen bevor du dein Pferd weiter trainierst. Das Mittel der Wahl ist hier auch wieder viel Reiten in Dehnungshaltung.
Rückständigkeit (Vorderbeine):
Wenn der breite Rückenmuskel zu viel Spannung aufweist zieht er das Vorderbein in die Rückständigkeit. Die Rückständigkeit kann einseitig oder beidseitig auftreten. In physiologischer Bewegung pendelt der Hals des Pferdes und das Pferd ,,rollt‘‘ sozusagen entspannt seinem Schwerpunkt hinterher. Das Rücken-Nacken-Band stabilisiert das Pferd und der breite Rückenmuskel stabilisiert das Vorderbein. Wird die physiologische Bewegung durch Ausbindezügel oder die Reiterhand gestört ohne dass das Pferd bereits über genügend Kraft der Hinterhand verfügt, muss das Pferd sich mit Muskelkraft über das Vorderbein ziehen, der breite Rückenmuskel muss ganze Arbeit leisten und wird zu stark. Wenn das Pferd dann rückständig ist wird das Fesselgelenk vermehrt nach hinten-unten belastet, was zu Schäden an den unteren Strukturen der Vorderbeine führen kann (Sehnen, Fesselträger).
Was kann man dagegen tun?
Das Pferd sollte auch hier wieder physiologisch in Dehnungshaltung trainiert werden, sodass es nach und nach genügend Kraft aus der Hinterhand entwickeln kann. Bei einseitiger Rückständigkeit sollte das diagonale Hinterbein vermehrt auftrainiert werden (z.B. vorne links ist rückständig, hinten rechts muss mehr trainiert werden). Oftmals spielt hier die natürliche Schiefe auch eine Rolle.
Ansteigende Rückenlinie:
Bei Jungpferden ist eine ansteigende Rückenlinie teilweise ganz normal. Sie befinden sich im Wachstum und sind dann je nach Wachstumsschub auch mal eine Zeit lang ,,hinten höher‘‘ bzw. ,,überbaut‘‘. Bei erwachsenen Pferden mit ansteigender Rücken-linie ist oftmals der Rumpftrageapparat zu schwach. Der Rumpf des Pferdes wird nur durch Muskeln und Faszien getragen, sie haben im Gegensatz zu uns Menschen kein Schlüsselbein, das den Rumpf fixiert. Ist der Rumpftrageapparat zu schwach, kann er seine stoßdämpfende Funktion nicht erfüllen und die unteren Strukturen werden geschädigt (Gelenke, Sehnen der Vorderbeine).
Was kann man dagegen tun?
Vorerst sollte ein Pferd mit ansteigender Rückenlinie und schwachem Rumpftrageapparat nur ohne Reitergewicht trainiert werden. Das Reitergewicht würde den Rumpftrageapparat nur zusätzlich belasten und der Trainingsreiz wäre zu stark. Die beste Gangart, um den Rumpfträger aufzutrainieren ist der Trab. Das Pferd sollte jeden zweiten Tag ca. 8 Wochen lang auf wechselnden Linien in Dehnungshaltung longiert werden oder auch längere Strecken im Gelände spazieren/joggen.
Du möchtest noch mehr über das Thema Exterieur lernen und weitere ,,Schwachstellen” erkennen?
Du möchtest außerdem wissen, wie du dein Pferd langfristig gesund trainieren kannst und systematisch aufbauen kannst?
Dann schau dir doch gleich mal meinen Online-Kurs ,,Trainingsplanung für Freizeitreiter” an!