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Der Sitz als primäre Hilfe

Der Sitz ist die primäre Hilfe beim Reiten. Er bildet die Grundlage für eine feine und korrekte Kommunikation mit dem Pferd. Nur wenn der Reiter losgelassen und korrekt sitzt kann das Pferd die feinen Hilfen verstehen und es entsteht ein harmonisches Gesamtbild. Es gibt viele Möglichkeiten am eigenen Sitz zu arbeiten und die Einwirkungen zu verbessern. In dieser Blog-Artikel erkläre ich dir warum der Sitz als primäre Hilfe so wichtig ist und zeige dir vier kleine praktische Übungen mit denen du deinen Reitersitz sofort verbessern kannst.

Sitz und Einwirkung lassen sich in der Praxis nicht voneinander trennen. Der Sitz ist die primäre Hilfe, die Basis für feine Kommunikation zwischen Reiter und Pferd. Die Sitz- und Gewichtshilfen sind die einzigen Hilfen, die wir beim Reiten nicht aussetzen können. Deshalb ist es so wichtig, dass wir stetig an der Verbesserung unseres Sitzes arbeiten und die Hilfengebung dadurch immer weiter verfeinern können.

Grundvoraussetzung für die Gewichtshilfen ist ein gutes Mitschwingen und ein losgelassener Sitz. Nur wenn du dich locker in die Bewegungen des Pferdes einfühlen kannst bist du dazu in der Lage die Bewegungen durch deine Gewichtshilfen zu verändern und zu beeinflussen. Dazu brauchst du selbst ein gutes Körpergefühl und eine gute Koordination. ,,Wir kommen nicht darum herum, die Bewegungen des Pferdes richtig und sicher fühlen zu lernen, damit wir unsere Einwirkungen in präziser Weise und im passenden Augenblick platzieren.‘‘ (Udo Bürger).

Leider arbeiten die meisten ReiterInnen viel zu wenig an ihrem Sitz. Oftmals lernt man als ReitanfängerIn an der Longe wie man ,,ordentlich‘‘ zu sitzen hat und sobald man einigermaßen sattelfest ist scheint das Thema Sitz abgehakt zu sein. Ich finde es sehr wichtig immer wieder am eigenen Sitz zu arbeiten, da der Sitz die Basis einer feinen Kommunikation und Hilfengebung darstellt. 

Ein ,,guter Sitz‘‘ zeichnet sich durch Losgelassenheit und einem gewissen Maß an positiver Spannung aus. Du sollst keinesfalls wie ein nasser Sack auf deinem Pferd ,,herumlungern‘‘, aber du sollst auch nicht unter Strom stehen. Genau die Art der positiven Spannung die wir von unserem Pferd beim Reiten verlangen müssen wir auch selbst mitbringen. Dies kann sehr herausfordernd sin, wir müssen dazu nämlich flexibel und stabil zugleich sein, um ein harmonisches Gesamtbild zwischen Reiter und Pferd zu erschaffen.

Der gute Sitz ist nicht statisch, sondern weich und von einem Moment zum anderen veränderbar. Wir können ja nicht statisch auf unserem Pferd sitzen, während wir von ihm verlangen, sich harmonisch zu bewegen. Daher finde ich auch die Bezeichnung Sitz etwas schwierig. Bei ,,Sitzen‘‘ habe ich das Bild von einem Stuhl im Kopf auf dem ich statisch sitze. Auf dem Pferd muss ich mich aber in die Bewegung einfühlen, mit ihr mitgehen und mich auch selbst bewegen bzw. auch weich bewegen lassen.

Merke: Ein guter Sitz zeichnet sich durch den harmonischen Wechsel zwischen Stabilität und Flexibilität aus. Der mitgehende und gefühlvolle Reitersitz ist die Basis für eine feine Kommunikation zwischen Reiter und Pferd und eine korrekte Hilfengebung.

Die Bewegungsabläufe des Pferdes spüren

Lasse dich auf deinem Pferd longieren und konzentriere dich voll und ganz auf die Bewegungsabläufe deines Pferdes. Wenn du möchtest kannst du die Übung auch ohne Steigbügel und auch mit geschlossenen Augen durchführen um eine noch intensivere Erfahrung zu haben. 

Konzentriere dich auf deine Sitzbeinhöcker und spüre wie sie sich im Sattel bewegen. Wenn du deine Sitzbeinhöcker anfangs nicht wahrnehmen kannst lege deine Hände unter dein Gesäß und ertaste die Sitzbeinhöcker. 

Anatomie: Sitzbeinhöcker und Becken

Du kannst die Bewegung deiner Sitzbeinhöcker dann gerne über deine Hände verdeutlichen. Nimm dazu deine Hände vor deinen Oberkörper und imitiere die Bewegungen deiner Sitzbeinhöcker.

Reite in allen drei Grundgangarten und versuche die Bewegungen deines Pferdes und deine Bewegungen genau zu erspüren.

Diese Bewegungen solltest du an deinen Sitzbeinhöckern und in deinem Becken wahrnehmen können:

Im Schritt: vorwärts-rückwärts, rechts-links, leichtes auf-ab

Im Trab: auf-ab

Im Galopp: auf-ab, vorwärts-rückwärts, rechts-links.

Der Sitz als primäre Hilfe

Setze dich auf dein Pferd und lasse deine Zügel ganz lang. Höre auf zu treiben und fühle dich intensiv in deinen Sitz hinein. Versuche jetzt dein Pferd ausschließlich über deine primäre Hilfe, den Sitz, zu steuern. Halte an, reite wieder los, reite eine Wendung und trabe eventuell auch an. 

Wie hat das geklappt? Hat dein Pferd auf deine Sitzhilfe reagiert? Wie schwer oder leicht ist dir diese Übung gefallen?

Es ist gar nicht schlimm, wenn die Übung anfangs nicht so flüssig funktioniert. Oftmals haben wir uns über Jahre angewöhnt die sekundären Hilfen (Schenkel + Zügel) intensiv zu nutzen und haben den Sitz vernachlässigt. Manchmal sind auch die Pferde anfangs etwas verwirrt, weil sie es einfach nicht gewohnt sind ausschließlich über den Sitz gesteuert zu werden. Nach und nach nehmen die Pferde diese feine Kommunikation jedoch sehr gut an und werden wieder sensibler. Ich empfehle dir, diese Übung regelmäßig zu wiederholen und dir immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass der Sitz die Basis der Hilfengebung ist!

Losgelassenheit und Entspannung

Reiten macht Spaß und soll locker und harmonisch sein. Manchmal kommen wir jedoch gestresst in den Stall, sind angespannt oder haben eine ganz exakte Vorstellung wie sich das Pferd zu formen hat. Oftmals manipulieren wir viel zu viel herum an unserem Pferd und übertragen unseren Stress und unsere Anspannung. Dabei geht dann die Leichtigkeit verloren und weder Pferd noch Reiter sind am Ende der Trainingseinheit zufrieden.

Bevor du aufs Pferd steigst solltest du dich vergewissern, dass du deinen Alltagsstress und deine Anspannung nicht mitnimmst. Atme dazu mehrfach kräftig ein und aus und lasse beim Ausatmen deine Anspannung raus. Du kannst auch gerne deine Arme und Schultern etwas locker schütteln und deinen Stress abschütteln. Das ist eine ganz kleine Übung mit sehr großem Effekt. Probiere es einfach mal aus, bevor du das nächste Mal auf dein Pferd steigst!

Wenn du dann auf deinem Pferd sitzt kannst du dir vorstellen, dass du das beste Pferd hast, das es gibt. Versuche dein Pferd nicht in eine Form zu pressen und an der Haltung zu manipulieren, sondern nimm es einfach so an, wie es ist. Es ist nämlich perfekt! Du wirst schnell merken, dass dein Pferd locker und entspannt wird und motiviert mitarbeiten möchte, wenn du es nicht sofort mit einem hohen Anspruch ,,überfällst‘‘. Nach und nach kannst du dann natürlich etwas mehr verlangen aber sobald dein Pferd zäh, fest oder unwillig wird solltest du wieder einen Schritt zurück gehen und nochmals die Losgelassenheit herstellen.

Wenn es dir schwer fällt selbst loszulassen und locker in die Bewegungen einzugehen kannst du einzelne Körperpartien auch bewusst vermehrt anspannen und beim Ausatmen wieder entspannen. Diese Technik nennt man progressive Muskelentspannung. Beginne am besten systematisch von unten nach oben. Spanne zuerst bewusst deine Füße an, halte die Spannung für etwa 5 Sekunden, atme aus und entspanne die Füße bewusst. Dann gehst du über zu deinen Waden, Oberschenkeln, Beckenregion, Bauch, Rücken, Schultern, Nacken, Gesicht, Oberarme, Unterarme und zu den Händen. Achte bei dieser Übung auf dein Pferd. Manche Pferde reagieren sehr sensibel auf diese Anspannungen. Dann solltest du diese Übung eher am Boden durchführen, bevor du auf dein Pferd steigst.

Franklin-Bälle

Ein tolles Hilfsmittel um den Sitz und die Körperwahrnehmung zu verbessern ist das Reiten mit Franklin-Bällen. Ich empfehle dir anfangs die blaue Mini-Rolle zu verwenden. Sie ist sehr vielseitig und kann ganzheitlich auf den gesamten Körper wirken. Die Rolle wird mittig unter deinen Sitzbeinhöckern platziert. Sie sollte hinten nicht herausrutschen aber auch nicht zu weit vorne liegen. Platziere sie so, dass sie gerade so unter dir bleibt und nicht nach hinten ,,raus flutscht‘‘. Dann reitest du dein Pferd am längeren Zügel locker vorwärts auf großen Linien (ganze Bahn und Zirkel). Da die Rolle deine Sitzhilfe stark beeinträchtigt solltest du keine Lektionen von deinem Pferd verlangen und keine zu engen Wendungen reiten. Du kannst die Rolle in allen Gangarten verwenden. Lasse dich einfach von deinem Pferd tragen und fühle dich in die Bewegungen ein. Nach etwa 10 Minuten legst du die Rolle beiseite und machst mit deinem ganz normalen Training weiter. Durch die Verwendung der Rolle solltest du keine Schmerzen haben, wenn sie dir sehr unangenehm ist oder du dich dabei stark verspannst solltest du auf das Reiten mit Franklin-Bällen verzichten und eventuell einen Physiotherapeuten aufsuchen. Außerdem solltest du dafür sorgen, dass du genügend trinkst, da die Rolle auf die Faszien einwirkt und diese dann anschließend mit genügend Flüssigkeit versorgt werden müssen.

Die Rolle mobilisiert deine Gelenke und aktiviert die Muskeln und Faszien auf eine sehr sanfte Art und Weise. Deine Propriozeptoren werden angeregt. Sie sind für die Wahrnehmung der Lage im Raum zuständig und beim Reiten sehr wichtig. Durch die Rolle wird dein gewohntes Bewegungsmuster unterbrochen und die Bewegungsfreiheit sowie die Geschmeidigkeit im ganzen Körper kann verbessert werden. Du kannst dir die Rolle als ,,Reset‘‘ vorstellen: Dein Körper kann die gewohnten Bewegungsmuster nicht mehr ausführen und muss sich neu sortieren. Dies verbessert auch deine Körperwahrnehmung und dadurch auch deine Körperhaltung. Leichte Verspannungen werden durch die Rolle sanft gelöst und du kannst anschließend weicher und besser mit den Bewegungen deines Pferdes mitgehen.

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